Teil 1: Sind die Koreaner tatsächlich die besseren Strategen?
Immer wieder lese ich im Internet Artikel, die eben diese Aussage als Faktum betrachten. Seien dies mehr oder weniger neutrale Texte wie auf MYM oder stark übertreibende und offensichtlich falsche, wie dieser hier von GotFrag der an einer Stelle sagt "Lyn is not "everyone." He is the best of the best, as are his Korean brethren, and their presence, for better or worse, greatly reduces the chances of other players winning.". Lyn hat schon öfters verloren und abgesehen davon waren Grubby und Tod bei den Extreme Master Finals vor Lucifer. Wenn man sich allerdings die Ergebnisse von grossen Turnieren sowie die fernöstliche Beteiligung an der WC3L ansieht, kann man sich dem Gedanken, dass Asiaten und Koreaner die schlicht besseren Starcraft und Warcraft III Spieler sind, kaum erwehren. Dies schlägt sich auch in der Berichterstattung nieder. Ohne eine aufwändige Inhaltsanalyse zu erstellen, wage ich es als regelmässiger eSport Newsleser zu behaupten, dass in den Köpfen der meisten eSport Journalisten, die Asiaten über ein grösseres "Talent" für RTS besitzen bzw. eine weitaus bessere Disziplin haben, was das Training anbelangt.
Inwiefern stimmt das? Zweifelsohne haben Spieler wie Sky und Lucifer in den letzten Jahren die Turnierszene dominiert und der europäischen Konkurrenz oft keinen Podestplatz gegönnt. Doch liegt das wirklich daran, dsas sie die besseren Strategen sind? Wohl kaum. Meiner Meinung nach rentiert es im fernen Osten viel eher auf die Karte "eSport" zu setzen. Diese Gegebenheit wird von mehreren Faktoren beeinflusst, namentlich dem sozialen Umfeld, dem Angebot an Preisturnieren und den Lebenshaltungskosten kombiniert mit der Verfügbarkeit von Computern und Internet.
Zu Beginn der Karriere eines jeden eSportlers, haben diese drei Faktoren einen sehr geringen Einfluss. Am Anfang ist der Spielspass eines Warcraft 3's oder Starcraft's so hoch, dass man sich durch solche "Nebensächlichkeiten" nicht beirren lässt und problemlos fünf Stunden am Tag richtig trainieren kann. Man spielt und trainiert so gleichzeitig nur um des Hedonismus willen. Über die Jahre hinweg verliert sich der Spielspass langsam aber sicher, besonders bei ausgiebiger Nutzung bzw. intensivem Training. Einige hören dann ganz auf mit dem Spielen, andere machen eine Pause und finden ein paar Monate später wieder mehr Spass am Spiel. Wieder andere sind in der Zeit des hedonistischen Nutzens so gut geworden, dass sie einen Teil ihres Lebensunterhalts mit dem Computerspielen verdienen können. Während der Spielspass mit der Zeit abnimmt, gewinnen die genannten Faktoren an Einfluss. Dieser ist je nach Land bzw. Kontinent ganz unterschiedlich.
Beim sozialen Umfeld ist der ferne Osten klar im Vorteil. Während in Südkorea und China eSport Champions wie Popstars vergöttert werden, erntet man in unseren Breitengraden im besten Fall ein bemitleidendes Lächeln für sein Hobby und im schlimmsten Fall wird man als potentieller Massenmörder hingestellt. Was in Europa weitgehend als Zeitverschwendung betrachtet wird, ist in Asien eine sehr erstrebenswerte Profession geworden. Dadurch haben unsere asiatischen Freunde automatisch einen grossen psychologischen Vorteil, da es ihnen enorm viel leichter fallen dürfte, sich fürs Training zu motivieren. Mit zunehmendem Alter wachsen Gewissensbisse um Zeit, die man vielleicht besser in die Arbeit, Karriere und Studium investiert hätte als ins Computerspielen, bei unser einem stark an.
Dazu kommt, dass das Angebot an Preisturnieren in Warcraft 3 in Asien weitaus grösser ist. Das beeinflusst nicht nur die öffentliche Meinung über eSport (und somit den ersten Punkt), sondern gibt den Spielern in regelmässigen Abständen neue Ziele auf die sie trainieren können. Das einzige auf was es sich in der Schweiz zu trainieren "lohnt" sind die ESWC bzw. WCG Qualfikation und damit hat es sich dann auch schon. Wer dann gerade keine Zeit hat oder nicht nach San Francisco gehen will, hat gar keinen Grund zu trainieren, denn der hedonistische hat sich ja nach all den Jahren weitgehend verabschiedet, bzw. ist durch DotA (oder noch schlimmer, durch WoW) ersetzt worden. In Deutschland gibt es natürlich noch die EPS bei der man relativ viel Geld machen kann, doch das gilt auch nur für die besten 5 Spieler des Landes. Und auch hier müssen sich die Spieler die Frage stellen; "Würde ich nicht mehr Geld verdienen und einen besseren Grundstein für meine berufliche Zukunft legen, wenn ich arbeiten würde anstatt zu Zocken?". Nur für denjenigen, der die deutsche EPS zweimal pro Jahr gewinnt, rentiert es wirklich eSportler zu sein. Die Top 5 können vielleicht durch andere Turniersiege und Clansponsoring auch noch einen adäquaten Umsatz verzeichnen, aber darunter wird die Luft schnell ziemlich dünn. Derweil finden in China und Südkorea beinahe im Wochenrythmus grosse Turniere statt anhand derer sich eine wesentlich grössere Zahl von Spielern ein hübsches Sümmchen verdienen kann, welches ich aber nicht näher erörtern will bzw. kann. 2:0 für den fernen Osten.
Der zweite Teil folgt nächste Woche...